…vor mehr als 10 Jahren

 

aus dem Münchner Merkur 2004

„Toll, wie die Kinder das packen“

– Garmisch-Partenkirchen –
Als Ilse May in der Zeitung von der Gründung des Freiwilligenzentrums erfuhr, hob sie sich den Bericht auf. Und als die Buchhändlerin im Mai 2003 aus dem Berufsleben ausstieg, stieg sie bei der „Lebenslust“ ein. Seit einem Jahr hilft sie Kindern von Asylbewerbern bei den Hausaufgaben.<BR>

Lange schon wollte Ilse May etwas Soziales tun. Im Freiwilligenzentrum fand sie schnell ein Projekt, für das sie sich einsetzen wollte: Hausaufgabenbetreuung von Asylbewerber-Kindern – eine Initiative der Caritas. Weil es für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen wichtig sei, gefördert und integriert zu werden. Die 45-Jährige kann sich gut in die Gedanken der Kinder einfühlen: „Sie haben einen sehr unruhigen Lebenslauf hinter sich. In Deutschland werden sie gleich in die Schule geschickt, müssen die Sprache lernen, das Schulsystem kennenlernen und sich in die Klasse einfügen.“ Und dabei sei ihr Schicksal ungewiss, da falle es schon schwer, sich zu motivieren. Deswegen findet es Ilse May „toll, wie die Kinder das packen.“Jeden Nachmittag bekommen sie im Hausaufgabenzimmer der Asylbewerber-Unterkunft Beistand. Sechs Freiwillige teilen sich die Betreuung. Am Dienstag ist Frau May dran. Erst werden die schriftlichen Arbeiten erledigt, dann wird abgefragt oder diktiert. Wenn noch Zeit bleibt, spielen die Kinder am liebsten „Stadt Land Fluss“. Als Ilse May anfing, kamen noch acht Buben und Mädchen. Vier sind inzwischen mit ihren Familien umgezogen und erscheinen seither nicht mehr. „Schade“, findet May, „sie hätten es dringend gebraucht.“ Die vier Übriggebliebenen, zehn bis vierzehn Jahre alt, stammen aus Usbekistan und dem Irak. Ein hochintelligentes Mädchen sei darunter, das hervorragende Aufsätze schreibe. Ilse May wird bedrückt, wenn sie an dessen Zukunft denkt: „Vielleicht muss es wieder zurück und Schafe hüten.“ Die ehrenamtliche Helferin bekommt viel mit: wie die Kinder für ihre Eltern dolmetschen müssen. Wie gastfreundlich die Flüchtlinge sind. Wie gern sich die Kinder einfügen. „Obwohl alle Muslime sind, wollen sie auch heuer wieder eine Weihnachtsfeier machen und deutsche Weihnachtslieder singen.“ Wichtig sind ihr auch gemeinsame Ausflüge wie der an den Eibsee. Gut klappe die Integration im Kleinen. Auch hiesige Kinder kämen zum Spielen vorbei, „das sind immer ganz nette.“ Locker und unkompliziert sei das Zusammensein. Wenn die Betreuerin mal in Mathe nicht helfen kann – das eigene Abitur liegt lange zurück – fragt sie ihren Mann, Musikwissenschaftler am Richard-Strauss-Institut. Ein sinnvoller Einsatz und eine besondere Erfahrung – so schätzt Ilse May ihr Engagement ein: „Weil das für die Kinder wichtig ist, dass jeden Nachmittag jemand für sie da ist, als Bezugs- und Kontaktperson. Und weil sie es alle mit entsprechender Förderung zu was bringen können.“ Für sich selber hat die Ehrenamtliche ein zusätzliches Projekt aufgetan. Zwei 15-jährige russlanddeutsche Aussiedlerkinder brauchen dringend Nachhilfe in Englisch. „Sie sind im ersten Jahr. Das trau ich mir noch zu.“

Das Freiwilligen-Zentrum „Auf geht`s“ ist eine Initiative der Lebenslust, einem Netzwerk sozialer Dienstleister am Ort. Das Büro befindet sich im evangelischen Gemeindehaus Partenkirchen (Hindenburgstraße 39), Tel. 0 88 21/90 85 89 und E-Mail: aufgehtslebenslust-gap.de.