eine wahre weihnachtliche Geschichte

von Harald HelfrichHelfrich kl

4.Dezember 2014, Abrahams Komplex, Garmisch-Partenkirchen, Erstaufnahme-Einrichtung. An der Pforte wartet eine lustige kleine Versammlung: Ehrenamtliche, Gemeinderäte, 3 Burschen von der Garmischer Musi in Tracht und der Fotograf des Garmisch-Partenkirchner Tagblattes. Er ohne Tracht!
Ein kleiner PKW kommt und die Ecke gebogen, hält quietschend vor dem Gebäude, heraus steigen zwei kleiner Engerl ( für was brauchen die ein Auto, die können doch fliegen ) und der Partenkirchner Pfarrer, der katholische. Der evangelische kommt aus der anderen Richtung. Ohne Auto.
„I habs glei“ ruft der katholische und verschwindet im Pförtnerhäuschen.
„Und was is mit dir?“ fragen die umstehenden den Protestanten. „magst du di net umziagn?“. „Ich geh als ich selber, ich kann ja schlecht den Krampus machen, wenn der ander an Nikolaus macht, was wär denn des für a Aussage? Der Security-Mann an der Pforte meint „Schwarze ham wa hier eh schon jenuch!“ und lacht.
Schon kommt der katholische Kollege aus dem Pförtnerhäuschen, jetzt als Nikolaus, also, als der echte bayrische, mit Mitra und Bischofsstab, soviel Korrektheit muaß scho sei, und eine seltsame Prozession betritt die Kaserne: Vorneweg der Nikolo flankiert von seine Engeln, hinten die honorigen Mitglieder des Gemeinderates, übrigens fraktionsübergreifend, samt evangelischem Pfarrer, parteilos, in der Mitten die Burschen von Garmischer Musi, die nun einen zackigen Marsch spielen – über ein Weihnachtsrepertoire verfügen sie noch nicht – und ganz vorne der Pressefotograf, der wild umanandaspringt.
Die Asylsuchenden, die im Hof Fußball spielen, unterbrechen ihr Spiel. Was ist denn jetzt los? Ist das die Bürgerwehr aus dem Ort, die Bürgerwehr zu Rettung des Abendlandes, von der die Rede war, von der man schon so viel gehört, die aber noch nie jemand gesehen hat?
In größeren Orten sollen die jetzt öfter zu sehen sein, hört man. Aber diese hier, die sehen lustig aus, die lachen auch noch freundlich, nein, gefährlich sind die nicht. Und so reihen sie sich ein, die Burschen aus Syrien, Somalia und Mali, ganz hinten, noch hinter dem evangelischen Pfarrer, der nicht den Krampus machen will, und marschieren hinterdrein.

Drinnen ist schon alles vorbereitet. Im Speisesaal wartet dampfender Kinderpunsch auf die Gäste, Plätzchen und Stollen sind in Papptellern auf den Biertischen verteilt. Die Bewohner dieser seltsamen Einrichtung sind gespannt, was da wohl kommen mag.
Und nun zieht die Prozession ein, vornedran der Fotograf, dann der katholische Nikolaus mit seinen Engeln, in der Mitte die drei Musikanten,
die nun einen Zwiefachen spielen – die Flüchtlingskinder sind begeistert – dann die Gemeinderatsmitglieder, einer hat die Fußballtore gestiftet – dann der evangelische Pfarrer, nicht als solcher erkennbar, und hinten die Fußballer.
Der Nikolaus erzählt nun ausführlich, was er für ein Mann ist, seine Bedeutung und Historie im Christlichen Glauben und über den Nikolaus im Wandel der Zeit und dass er den armen Kindern immer kleine Geschenke bringt. Die ehrenamtliche Dame von der Bürgerinitiative kürzt das ganz etwas ab, übersetzt ins Englische, lässt zu viel Christliches weg, die syrische Dame, die gut Englisch spricht, übersetzt ins Arabische und kürzt das Ganze noch einmal ab: „Der Mann in dem lustigen Kostüm bringt euch Geschenke!“.
Dann Bescherung, Riesenfreude bei den Kindern, Fotos allerorts, Handys werden gezückt, der Pressefotograf, nun im völligen Flow schießt nun wild im Raum herum seine Bilder:
Kinder aus Eritrea mit Schokonikoläusen, ein syrischer Bub mit dem Schriftzug „Germany“ in den Haaren lachend posierend inmitten der Security-Crew, ehrenamtliche und Gemeinderatsmitglieder prosten sich mit Kinderpunsch zu, der riesengroße junge Mann aus Mali, der zum ersten Mal einen Lebkuchen probiert, nimmt das klein afghanische Mädchen an der Hand und führt es zum Nikolaus. Es hat noch kein Geschenk und allein traut es sich nicht, obwohl der Mann lustig ausschaut. Glückliche Ehrenamtliche, die spätestens in diesem Moment wissen, warum sie sich engagieren und 3 Garmischer Burschen in Tracht mit Instrumenten, die die Flüchtlingskinder noch nie zuvor gesehen haben, eine Musik, die sie noch nie gehört haben, die Kinder tanzen auf den Tischen vor den Buschen, sie sind begeistert, wann haben sie wohl das letzte Mal getanzt? Die Burschen spielen ihr komplettes Marsch-, Landler- und Polkarepertoire durch.

Dann, nach einer guten Stunde, langsam, löst sich die Versammlung auf. Der Nikolaus bahnt sich seinen Weg durch die Menge, jeder will ein Foto haben. Die drei jungen Musikanten wollen eigentlich nicht gehen, richtig gemütlich war`s, die Securitiy räumt auf, die Fußballer spielen wieder Fußball und die syrischen Männer machen sich über die Reste des Christstollens her. Irgendwann, erzählt mir einer, irgendwann, wenn in seiner Heimat wieder Frieden herrscht, geht er zurück und wird eine Bäckerei aufmachen und dieses sagenhafte Gebäck verkaufen, „Christstollen“ kann er sich nicht merken, aber den Geschmack, den wird er nie vergessen…