Zwischenbericht- der Solidaritätsvirus breitet sich aus

Solidaritätsvirus verbreitet sich

Mutmach-Erfahrungen des Freiwilligen-Zentrums mit seinen Partnern

Zwischenbericht

 

In der zweiten Märzwoche wurde es immer deutlicher. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wurden strenger und die Leidtragenden würden ältere und gesundheitlich belastete Menschen sein. Die beiden Mitarbeiterinnen des Freiwilligen-Zentrums, krempelten die Ärmel hoch.

Das vorhandene Datenbanksystem konnte durch Freinet-Online in Verbindung mit der Website schnell und günstig aufgerüstet werden. Leitlinien wurden erstellt und Kooperationspartner gefunden. Am 2. April ging die Corona-Hilfeplattform online. Das System funktionierte. Innerhalb eines Tages meldeten sich über 50 Freiwillige. Somit beschloss auch die Marktgemeinde nach ersten eigenen Überlegungen für die Regelung von Einkaufsdiensten auf das Freiwilligen-Zentrum zu bauen.

Momentan sind 275 Freiwillige und 89 vermittelte Bedarfe registriert. Das Corona-Hilfeteam möchte allen Mut machen, sich zu trauen nach Hilfe zu fragen. Die Freiwilligen stehen bereit. Auch für die Helfer ist das eine bereichernde Erfahrung, die für mehr Miteinander in unseren Orten sorgt.

Angeboten werden Einkaufsdienste und Besorgungen, Gassi gehen, Gespräche am Telefon und die BRK- Aktion Masken nähen.

Vor allem viele junge Menschen haben sich registriert und sind im Einsatz. Ganze Belegschaften haben ihre Bereitschaft erklärt sich einzusetzen. Ärzte, Pädagogen und Psychologen boten Ihr Fachwissen an und die Bereitschaft für Gespräche. Andere erklären sich bereit zum Beispiel für Pfleger zu kochen oder zu backen oder mit ihrem Fahrzeug Transporte zu übernehmen.

Auch bei der Organisation halfen viele zusammen:

Den Druck von Flyer und Plakate erledigte Firma Fischer besonders günstig. Eine Grafikerin machte den Entwurf druckreif. Firma Tiefenbacher klebte kostenlos Plakate. Eine unerwartete Spende half Notwendiges zu bezahlen und Bedürftige zu unterstützen. Mit einer jungen Juristin, die Einkaufsdienste übernahm, konnte das Prozedere der Geldübergabe optimiert werden. Andere halfen mit bei der Verteilung von Werbematerial, wie zum Beispiel Calvin, der mit seinem Rollstuhl alle Supermärkte und Apotheken abgefahren ist. Die LongLeif gGmbH bot ihre Kooperation an und hilft personell im und durch Übernahme mancher Werbekosten. Beindruckend schnell und zahlreich meldeten sich auch knapp 50 Näherinnen und Näher für die BRK- Nähaktion von Masken.

Die Hotline übernehmen komplett die Mitarbeiterinnen des Seniorentreffs Marianne Aschenbrenner (Iris Asenstorfer, Christiane Frahm, Bärbel Salfner). Sie ist nach einer kurzzeitigen Überlastung durch Maskenbestellung nun auch wieder ausschließlich für alle Hilfesuchenden und Helfer da. Es rufen meist Personen an, die zur Risikogruppe gehören oder in Quarantäne sind und jemanden brauchen, der für sie einkauft. Die Senioren, vor allem die Alleinstehenden trifft es gerade besonders schwer. Manche wollen sich erst einmal informieren wie die Hilfeplattform ausschaut. In unseren Gesprächen erfahren wir aber auch Ermutigendes in schwierigen Zeiten, wenn Senioren von ihren Familien erzählen. In den vielen Fällen konnten wir zusätzlich nötige Hilfe bieten. „Eine hochbetagte Dame war von diesem Angebot sehr gerührt, dass mir am Ende auch Tränen in den Augen standen “ erzählt Christiane Frahm über Ihre Arbeit.

Wer Hilfe wünscht, kann sich unkompliziert online registrieren oder zum Telefonhörer greifen und sich über die Hotline informieren. Wird ein Dienst gewünscht, erfolgt ein Rückruf mit einem Vorschlag vom Vermittlungsteam (Katrin Süssenbach, Regina Wäger, Beate Löw-Schneyder). Helfer und Hilfesuchende bekommen dieselbe ID-Nummer und besprechen alles weitere telefonisch. Alle Dienste enden vor der Haustür mit Einhaltung des Sicherheitsabstandes. Es wird auch darum gebeten die Helfer nicht in die Wohnung zu bitten.

Katrin Sassenbach, sonst in der Hotelbranche tätig, hat zur Zeit Kurzarbeit und betreut Ihre Kinder bei den Erledigungen für die Schule. Zudem kümmert sie sich ehrenamtlich um die Corona Datenbank, ruft Helfer und Hilfesuchende an, sucht auch mal Speziallösungen und erkundigt sich nach einer Weile nach den Erfahrungen. Dann schlägt ihr große Dankbarkeit für kleine Hilfen entgegen. „Die Betroffen sind meistens total gerührt! Es ist ja eigentlich nur eine Kleinigkeit, aber die Tatsache, dass dies jemand einfach so tut, löst ein ganz besonderes Gefühl aus.“ Besonders berührend fand Katrin Sassenbach die Anfrage einer älteren Dame, die im Rollstuhl sitzt. Der Einkauf wurde schnell erledigt, sogar ein nebenbei erwähnter Exrtrawunsch für einen Fisch am Karfreitag wurde als Überraschung erfüllt. Die Dame erzählte zudem, dass sie seit zwei Jahren nicht mehr das Haus verlassen konnte. Nach den Ausgangsbeschränkungen, kann sich auch darum jemand aus dem Netzwerk kümmern. Katrin Sassenbach, ist Kundenkontakt gewohnt, stellt aber fest: „Freiwilliges Engagement zu verkaufen und das Positive zu vermehren, das ist etwas was ich zurzeit besonders genieße!“

Beate Löw-Schneyder berichtet von einer besonderen Vermittlung:
„Die Anfrage, das gehörlose Seniorenpaar in Mittenwald durch Einkaufsdienst zu unterstützen, hatte ich an Alex Künzel vermittelt. Die Anfrage kam von der Schwester, die in Berlin lebt. Mit ihr hatte Alex dann den direkten Kontakt aufgenommen, um den Bedarf genau abzuklären.  Der gehörlose Bruder schickt ihr per Fax die Einkaufsliste, sie schreibt das per WhatsApp an Alex. Alles andere: klingeln, Geld abholen, einkaufen, Einkauf und Restgeld zurückbringen läuft „ganz normal“. Aber das „mehr“ liegt halt in der Beziehung, die dabei entsteht. Er und seine ebenfalls gehörlose Lebenspartnerin sind „sonst“ sehr gut sozial eingebunden und aktiv, in Vereinen für Gehörlose von Innsbruck bis München – das ist nun alles weggefallen; und wird es auch eine ganze Zeit lang bleiben. Das wirkt sich bei den beiden wohl mehr aus als bei Menschen, die dann halt zum Telefon greifen, den Fernseher als Unterhalter und Fenster zur Welt haben usw. Wie so oft sind es zwei Seiten, die dankbar sind: diejenigen, die Unterstützung und Hilfe im Großen oder Kleinen bekommen; und die, die in diesem Tun für sich Neues, Wertvolles entdecken und lernen.

Regina Wäger ist besonders berührt von den Kontakten mit bekannten aktiven Ehrenamtlichen, die nun selbst Hilfe brauchen. Einem Ehrenamtlichen bei Murnau konnte direkt zwei Häuser weiter ein Helfer vermittelt werden. Ein anderer bedankte sich mehrmals per Mail und gab sein Feedback weiter. Um seine gefährdete Frau zu schützen, verzichtete er auf ihren Wunsch hin auf eigene Einkäufe. Um den Aufwand gering zu halten, wünschte er sich, dass die Freiwillige direkt zum Parkplatz des Supermarktes käme, wo er mit seinem Auto wartete. Gesagt, getan! Es ist eine interessante Tatsache, dass Menschen, die selbst freiwillig tätig sind sehr einfühlsam und umso dankbarer für Hilfe sind.

Annett-Maria Jonietz als Koordinatorin des FWZ, empfindet Dankbarkeit in Krisenzeiten etwas beitragen zu können und ist froh bereits aufgebaute Strukturen und Netzwerke nutzen zu können. Sie hat sich zum Ziel gesetzt positive Ansätze und Erfahrungen des Füreinander-Da-Seins zum Wachsen zu bringen, auch in der Zeit nach der Krise. Auch die gute, selbstverständliche und unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Kolleginnen des Seniorentreffs Marianne Aschenbrenner und mit der LongLeif GmbH kann eine gute Basis sein für zukünftige Projekte.